Inklusion – Anspruch, Realität und notwendige Veränderungen
Inklusion ist ein Menschenrecht. Sie bedeutet, dass alle Menschen – unabhängig von körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen – gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Inklusion beginnt in der Schule, reicht über Ausbildung und Arbeitsmarkt bis hin zu Gesundheit, Wohnen und Teilhabe im Alter. Doch zwischen Anspruch und Realität klafft eine schmerzliche Lücke.
Rechtliche Grundlagen der Inklusion
Die rechtlichen Grundlagen für Inklusion sind vielfältig und in unterschiedlichen Gesetzen verankert:
UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)** – völkerrechtlich verbindlich seit 2009 in Deutschland; besonders wichtig sind:
- Artikel 24 (Bildung)
- Artikel 27 (Arbeit und Beschäftigung)
- Artikel 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft)
Grundgesetz (GG), Art. 3 Abs. 3 Satz 2:
"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
SGB IX** – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (zentrale gesetzliche Grundlage für Inklusion in Deutschland)
SGB VIII, § 35a – Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche
SGB XII, §§ 53 ff.– Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen im Erwachsenenalter
SGB II, § 16i und § 16e – Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen
BTHG (Bundesteilhabegesetz) – Reformiert das SGB IX mit dem Ziel, Selbstbestimmung und Teilhabe zu stärken
Schulgesetze der Länder**, z. B. in NRW: Schulgesetz § 2 (5):
„Inklusive Bildung ist Aufgabe aller Schulen.“
Opferentschädigungsgesetz (OEG) – Bezieht auch Menschen mit psychischen Traumafolgen als Behinderte in den Inklusionsbegriff ein
Diese Paragrafen zeigen: Inklusion ist kein Wohlwollen, sondern ein verbrieftes Recht.
Inklusion ist mehr als Schulbegleitung
Inklusion ist weit gefächert. Sie beginnt im frühen Kindesalter mit der Teilhabe an Bildung in Kitas und Schulen.
Hier werden schon Weichen gestellt – für ein Leben in Würde oder für systematisches Ausgrenzen.
Es geht nicht nur um Rollstuhlrampen oder Nachteilsausgleiche, sondern um strukturelle Veränderung und Haltung.
Auch die Arbeitswelt ist Teil dieses Prozesses:
Menschen mit Behinderung – ob mit anerkanntem Schwerbehindertenstatus oder ohne – haben das Recht auf Zugang zu qualifizierter, fair entlohnter Arbeit.
Das umfasst sowohl Menschen mit akademischer oder beruflicher Ausbildung als auch Menschen mit Lern- oder geistiger Behinderung, die in Werkstätten tätig sind.
Auch dort muss gelten: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – nach Fähigkeiten und Leistung.
Strukturelle Barrieren: Psychotherapie, Pflegegrad, Klagewege
Ein besonders gravierender Missstand ist der mangelnde Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung für Menschen mit Behinderung.
Wartezeiten von mehreren Monaten oder gar Jahren sind keine Ausnahme – und sie widersprechen massiv dem Recht auf gleichwertige Gesundheitsversorgung.
Auch der Weg zur Anerkennung einer Schwerbehinderung oder eines Pflegegrades ist für viele Betroffene ein kafkaesker Hürdenlauf.
Im Kreis Kleve etwa rühmt sich die Verwaltung damit, dass **50 % der Anträge korrekt bearbeitet werden** – was de facto bedeutet, dass die andere Hälfte fehlerhaft oder unzureichend beschieden wird.
In jedem anderen Berufsfeld wäre eine Fehlerquote von 50 % inakzeptabel.
Für die Betroffenen jedoch heißt das: jahrelange Klagewege, psychische Belastung, existenzielle Unsicherheit.
Unsere Forderungen
Wir fordern:
1. Vereinfachte und transparente Antragsverfahren für Schwerbehinderung, Pflegegrad, Hilfsmittel und Teilhabeleistungen
2. Zugang zu Therapie und psychologischer Unterstützung – insbesondere für Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen oder Traumafolgestörungen
3. Faire Bezahlung in Werkstätten und eine echte Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt – auch für Menschen mit sogenannten „Lernbehinderungen“
4. Finanzielle Mittel und politische Priorität für Inklusion – statt bürokratischer Ausgrenzung
5. Rechtsanspruch auf inklusive Bildung und Arbeit – durchsetzbar und einklagbar, ohne jahrelange Verfahren
Fazit
Inklusion ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht.
Es geht nicht darum, einzelne „besonders zu behandeln“, sondern darum, Strukturen so zu verändern, dass niemand ausgeschlossen wird.
Deutschland hat sich zur Inklusion verpflichtet – jetzt ist es Zeit, dieses Versprechen einzulösen.
Nicht nur auf dem Papier, sondern im Alltag, in den Ämtern, in Schulen, in der Arbeitswelt.
**Für ein würdiges Leben. Für alle.**
